ZUR GESCHICHTE DER STADTMAUER
Die märkische Stadt Wittstock/Dosse hat seit 775 Jahren Stadtrecht. Die Altstadt von Wittstock hat sich ihre mittelalterlich geprägten Strukturen mit wertvoller Bausubstanz und vielen Einzeldenkmalen gewahrt.
Die Altstadt wird von der vollständig erhaltenen Stadtmauer mit Wall- und Grabenzone umrahmt. Fast 2,5 Kilometer lang, ganz aus Backstein und bis zu sieben Meter hoch ist diese Mauer einzigartig in Deutschland. Bis zum dreißigjährigen Krieg verliehen die Stadtmauer, die geschützte Lage am Zusammenfluss von Dosse und Glinze und die Wall- und Grabenzone Wittstock den Ruf der Uneinnehmbarkeit. Die Schweden besiegten 1636 die verbündeten sächsisch-kaiserlichen Truppen auch nicht durch Belagerung der Stadt, sondern in offener Feldschlacht beim nahe gelegenen Scharfenberg. Das "Museum des dreißigjährigen Krieges" im Amtsturm der ehemaligen Bischofsburg dokumentiert Schlacht und Krieg umfassend.
Nach dem dreißigjährigen Krieg verlor die imposante Befestigungsanlage ihre ursprüngliche Bedeutung. Stattdessen gewährleisteten die drei Stadttore optimale Rahmenbedingungen zur Eintreibung von Akzisen (Steuern). Bis zur Abschaffung der Mahl- und Schlachtsteuer 1867 stand diese "fiskalische" Funktion der Stadtmauer im Vordergrund.
Doch bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts rückten Mauer und Wälle als ästhetisch wirkungsvolles Ensemble ins öffentliche Bewusstsein. Im Wissen um den Selbstwert der historischen Anlagen nutzten die Wittstocker diesen Bereich als Ort der Erholung und Geselligkeit. Nach und nach entstand eine Promenade außerhalb der Stadtmauer sowie naturnah gestaltete Parkanlagen.
Außer dem Abriss von zwei der insgesamt 3 Stadttoren kam es darüber hinaus nur zu unwesentlichen Verlusten an der Mauer. Seit Mitte der neunzehnhundertzwanziger Jahre kam es in unterschiedlich großen Intervallen immer wieder zu Instandsetzungsarbeiten an der Stadtmauer.
Nach dem zweiten Weltkrieg standen nur begrenzte Mittel für die Sanierung der Stadtmauer zur Verfügung, immerhin konnte dadurch weiterer Verfall verhindert werden. Eine größere Maßnahme zur Erhaltung der Stadtmauer war für 1989 geplant. Zu diesem Zweck hatte der Heimat- und Kulturverein ca. 31.700 Dachziegel (Biberschwänze) gesammelt. Außerdem waren 4.500 Klosterformatsteine vorhanden und mehr als 30.000 Stück wurden aus Großräschen angeliefert. 1990 kamen durch Bundes- und Landesförderung 62.400 Klosterformatsteine aus Salzkotten hinzu.
Die Stadtmauer wurde von Februar 1990 bis Juli 1996 erstmals einer Gesamtrestaurierung unterzogen. 2.435 m wurden für mehr als 2,5 Millionen DM (rd. 1,28 Mio. €) instandgesetzt. Den Abschluss bildete die Restaurierung des Gröper Tores. Die Arbeitsgemeinschaft der "Städte mit historischen Stadtkernen" des Landes Brandenburg kürte die Stadtmauer im Juni 2003 als Denkmal des Monats.
Der Auf- und Ausbau der Wall- und Grabenzone zur Promenade begann im Jahr 1821 zwischen Post und Gröper Tor und am Schützenwall, so dass eine Wegführung zwischen heutiger Post und dem Dosseteich geschaffen wurde. Der Bau von Gaststätten vor den Toren wertete den Bereich zusätzlich auf.
Die Auffüllung des Glinzesumpfes zwischen 1893 und 1909 ermöglichte den weiteren Ausbau. Die erste Promenade im Bereich am Mühlgraben ist 1897 angelegt worden. Damals wurde der Bereich zwischen dem Kyritzer und dem Pritzwalker Tor gärtnerisch gestaltet und mit Linden bepflanzt. Im Jahr 1910 erfolgte die Erweiterung der Anlage um die angrenzenden Wiesen, mit Anlage weiterer Wege und Pflanzungen.
Mit dem Bau des Bahnhofs um 1925 folgte eine weitere Ausdehnung und Ausbau der Grünanlagen jenseits der Glinze zum Stadtpark. Der heutige Friedrich-Ebert-Park steht unter Denkmalschutz. Ein großer Teil des ehemaligen Gehölzbestandes und der Wege stammt aus der Zeit um 1925. Nach 1945 wurde hier ein Spielplatz und das Denkmal für die Opfer des Faschismus angelegt. Im Zuge der Sanierung 2003/2004 wurden historische Wegebeziehungen im Friedrich-Ebert-Park wieder hergestellt, außerdem waren umfangreiche Maßnahmen zur Baumpflege notwendig. Auch die Sichtachsen und die Brücken fanden in der Sanierung Berücksichtigung sowie der Zugang zum Museum "Alte Bischofsburg". Sämtliche Wege im Park sind inzwischen mit wassergebundener Decke und Bandeisenfassung geführt, an den Einmündungen war aus funktionalen Gründen ein Pflasterstreifen nötig. Nach Abschluss aller Arbeiten kürte die AG der Städte mit Historischen Stadtkernen den Friedrich-Ebert-Park als Denkmal des Monats im Dezember 2004.
Die Wegführungen in den Wall- und Grabenzonen rund um die Stadtmauer bieten heutzutage eine attraktive und abwechslungsreiche naturnahe Erholungsmöglichkeit. Besucher und Einheimische können die fast 2,5 km lange Strecke rund um die Stadtmauer ganz oder in Teilstücken nutzen. Gleich auf welcher Teilstrecke man sich befindet, die Maueröffnungen gewähren eine gute fußläufige Anbindung in den historischen Stadtkern.
Luftbild - Dieses Luftbild von Wittstock/Dosse entstand in der Zeit zwischen 1926 und 1935
Der Amtshof 1939 - Das Torbogenhaus wird heute als Veranstaltungssaal genutzt.
Am Wolfsloch 1957- Hinter der Stadtmauer beginnt, verlagert durch eine Pflastersteinstraße, die erste Häuserreihe.
Text: Markus Hennen